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Rede der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf der Pressekonferenz mit dem armenischen Außenminister Mirsojan

Bundesministerin Baerbock trifft Armeniens Außenminister Mirsojan

BMin Baerbock trifft AM Armenien, © Thomas Trutschel

08.02.2023 - Artikel

Schönen guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Lieber Kollege, ich freue mich wirklich sehr, dass wir uns heute hier in Berlin treffen können. Sie und Ihre Delegation möchte ich hier begrüßen. Zunächst möchte ich ein paar Worte zur Erdbebenkatastrophe sagen. Die Bilder aus der Türkei und Syrien sind erschütternd. Menschen, die mit bloßen Händen in den Trümmern nach ihrem Lieben suchen. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und allen, die noch immer um ihre Familien, Freunde und Nachbarn bangen. Und ich weiß, dass das auch viele Menschen hier bei uns im Lande tun, die noch immer nicht die ersehnte Nachricht erreicht hat, dass ihre Freunde oder Verwandten endlich in Sicherheit sind. Gemeinsam mit unseren Partnern und der EU haben wir für die Menschen vor Ort Hilfe schnellstens auf den Weg gebracht. Bereits gestern habe ich meinem türkischen Amtskollegen unsere Solidarität übermittelt. Aber auch in Syrien, wo die Menschen unter dem Assad Regime auf keine Hilfe hoffen können, unterstützen wir über unsere humanitären Partner so gut es geht. Zum Beispiel mit zusätzlich einer Million Euro für Maltester International, die dort vor Ort sind.

Wir werden auch weitere Gelder freigeben und auch einen humanitären Zugang in Syrien drängen. In die Türkei sind bereits deutsche Suchtrupps gekommen, weitere werden kommen und folgen, bei der dringenden Bergung bei eisigen Wintertemperaturen zu helfen. Wir beide haben uns zuletzt im Herbst getroffen und wie gesagt, freue ich mich sehr, dass wir heute die Gelegenheit hatten, auch bilaterale vertieft Gespräche führen zu können.

Im Jahr 2022 haben wir 30 Jahre bilaterale Beziehungen gefeiert. Aber die Wurzeln zwischen unseren Ländern reichen natürlich schon viel länger zurück. Ich bin besonders froh über die engen menschlichen Beziehungen. Dafür stehen sage und schreibe 49 bilaterale Hochschulkooperationen zwischen unseren Ländern. Und wir verhandeln gerade ein neues Kulturabkommen. Das ist wichtig, denn Außenpolitik findet eben nicht nur zwischen Ministerien und zwischen Ministerinnen und Minister statt, sondern vor allem zwischen den Menschen dort, wo das Vertrauen, das Interesse und auch das Miteinander zwischen den Menschen wächst. An Theatern, an Filmsets, Ateliers, Gedenkstätten und – wie gesagt – gerade auch Universitäten. Dabei kann auch der Aufbau des Goethe Instituts in Eriwan zu einem richtigen Goethe Institut helfen, was wir gerne vom Auswärtigen Amt auf den Weg bringen wollen.

Wir haben natürlich viel darüber geredet, wie die Lage im Südkaukasus, in ihrem Land, in ihrer Region ist. Denn sie ist alles andere als einfach.

Das ist uns hier in Deutschland sehr wohl bewusst. Darum gleich vorweg Deutschland bekennt sich zur Souveränität und territorialen Integrität sowohl Armeniens als auch Aserbaidschans. Die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der beiden Länder im Jahr 1991 war eine wichtige Weggabelung in der Region. War es aber auch… seitdem haben 30 Jahre Konflikt um Bergkarabach enormes menschliches Leid verursacht.

Häuser wurden zerstört. Menschen haben ihr Leben verloren. Die Wunden sind unglaublich tief. Wir machen uns daher keine Illusionen. Eine Lösung kann es nicht über Nacht geben. Zumal es zuletzt leider wieder Rückschritte gegeben hat. Die prekäre humanitäre Lage in Bergkarabach ist ein trauriges Beispiel dafür. Aufgrund der seit Mitte Dezember andauernden Blockade der einzigen Verbindungsstraße sind in der Region die Lebensmittelregale fast leer gefegt. Es fehlt an Medikamenten. Es fehlt, wie gesagt, an Lebensmitteln. Familienmitglieder sitzen in Armenien fest, kommen nicht mehr zurück zu ihren Angehörigen. Schulkinder müssen bei diesen eisigen Temperaturen frieren, weil auch die Energielieferungen abgeschnitten ist. Darum ist es so wichtig, dass die Blockade des Latschin-Korridors umgehend beendet wird. Hier stehen Aserbaidschan und Russland in der Pflicht.

Gemeinsam haben wir in der EU vor kurzem eine neue zivile EU-Mission auf armenischen Staatsgebiet entlang der internationalen Grenze beschlossen. Die Mission soll durch Präsenz, durch Gespräche mit den Menschen für ein Mehr an Stabilität und vor allen Dingen Vertrauen sorgen. Und es geht dabei um konkrete Punkte wie eine Hotline zwischen Hauptstädten, zwischen lokalen Behörden, denn wir haben in den letzten Jahren leider erleben müssen, dass jeder kleine Funke zum lodernden Feuer werden kann. Belastbare Kommunikationskanäle verringern daher das Risiko und lindern menschliches Leid. Deutschland übernimmt Verantwortung bei dieser EU-Mission. Wir werden uns mit Beamtinnen und Beamten der Polizei, des Bundes und der Länder sowie mit zivilen Expertinnen und Experten beteiligen. Deutschland wird dabei nicht nur einen erheblichen Anteil des Personals stellen, sondern auch den Leiter der EU-Mission. Als EU haben wir klipp und klar gesagt, unsere Mission dort ist eine neutrale Beobachterin. Das war und ist mir persönlich wichtig, denn auch Aserbaidschan soll von dem mehr an Sicherheit profitieren. Aber der Weg in eine tatsächliche, friedliche Zukunft, auf die so viele Menschen in der Region seit langem hoffen, führt nur über Verhandlungen. Wir unterstützen daher die Vermittlerrolle von EU Ratspräsident Charles Michel.

Vertrauen ist dabei das wichtigste Gut bei diesen Bemühungen. Beide Seiten fragen sich Sind wir nach einem Friedensschluss wirklich sicher? Sind die Rechte unserer Minderheiten geschützt? Wie finde ich endlich Ruhe im Schmerz um die vielen seit Jahren Vermissten? Auch hier wollen wir einen Beitrag leisten und wir haben daher heute über vier konkrete Felder der Zusammenarbeit gesprochen.

Erstens: Deutschland unterstützt bei der Bergung, Identifizierung und Rückführung von Verstorbenen, die in und um Bergkarabach vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes durchgeführt werden. Das hilft, Wunden zu heilen und Vertrauen aufzubauen.

Zweitens: Die internationale Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist an vielen Stellen noch nicht demarkiert. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln, immer wieder sterben Menschen. Ohne eine klare Grenze rückt die Chance auf Frieden in weite Ferne. Deutschland bietet daher an, mit Expertise bei der Grenzdemarkierung zu helfen.

Drittens: Noch immer töten Minen Menschen in Bergkarabach und den umliegenden Gebieten. Vom Minenräumen, bei dem Deutschland bereits jetzt unterstützt, profitieren alle Menschen in der Region. Denn eine Landmine macht keinen Unterschied zwischen Nationalitäten.

Und viertens: Wir wollen auch schauen, wo wir im Sicherheitsbereich zwischen unseren beiden Ländern zusammenarbeiten können. Zum Beispiel bei der Cyber-Sicherheit. Weil wir auch hier die Sorgen vor dem destabilisierenden Einwirken von Russland deutlich deutlich hören.

Unser Engagement im Südkaukasus ist kein Selbstzweck, sondern liegt in unserem eigenen europäischen Interesse. Denn wenn unsere Nachbarschaft nicht sicher ist, dann sind auch wir nicht sicher. Dauerhafter Frieden birgt auch enormes wirtschaftliches Potenzial für die Region. Und Deutschland ist der wichtigste Handelspartner von Armenien in der EU. Mit Global Gateway machen wir (als EU) ehrliche Angebote an die Region - ohne Knebel und doppelte Agenda. Wir wollen die enge Anbindung des Kaukasus an Europa und die stärkere regionale Vernetzung zwischen Südkaukasus und Zentralasien. Sie sehen, unser Angebot ist breit und unsere Agenda ist breit. Die Felder, wo wir weiter und vertieft zusammenarbeiten können, ist breit. Und in diesem Sinne danke ich sehr für das wirklich gute Gespräch heute und freue mich auf den weiteren Austausch zwischen uns beiden, aber insbesondere zwischen unseren beiden Ländern.

Herzlichen Dank!

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